Kapitel Konzepte / chapter concepts

Reinhard Friedrich / Zeitzeugen

 

 
Peter F. Wenzl  /   Schulfreund und Weggefährte

07.03.2017

Lieber Thomas Nicolai,

in Verbundenheit mit einem gemeinsamen Freund erlaube ich mir diese persönliche Anrede.
Als Reini am 1. März weder mobil noch über Festnetz erreichbar war, glaubte ich noch an eine Feier oder Reise -
nun bin ich einfach nur traurig...

In idyllischer Umgebung, in den Heidbergen am Inselsee in Güstrow nahm in einer jämmerlichen Holzbaracke - einem Jungsinternat der Güstrower Penne - eine zarte Freundschaft ihren Anfang. Ein wenig wie Tom Sawyer und Huckleberry Finn eroberten wir jedes Terrain, erkundeten und entdeckten uns und andere, spielten, lebten und liebten. Viele Insignien konnte der blonde, hübsche Junge nicht einbringen, außer sich selbst.
Keine Jeans, kein Moped; ich glaube, er hatte nicht einmal ein Fahrrad. Was Reini für mich und andere so anziehend machte, war sein unstillbarer Hunger auf das Leben, seine übersprudelnde Energie und Offenheit.

... fast wie ein Ritual kam Reini oftmals am Sonntag mit dem Bus in unser Dorf, eilte die Straße hoch. Meine Eltern brachten uns ins Internat und dann saßen wir am See, manchmal schweigend, meistens laut lamentierend eingehüllt vom Rauch unserer Zigaretten - wie nach Brecht "fehlte er: Wie trostlos dann wären Haus, Bäume und See."
Als ich die Penne verließ, war ich mir sicher, Reini wird Sportreporter.

Nach den dunklen Jahren der Armeezeit mit seltenen, eher sporadischen Begegnungen fanden wir uns während des Studiums wieder. Reini in Leipzig an der Schauspielschule und ich an der Uni Rostock in der Physik. Die räumliche Distanz verkürzten Constanze und Ellis, Dramaturgiestudentinnen in Leipzig mit ihrem "Praktikumsjahr" am Theater in Rostock.
Mal trafen wir uns beim Vorspiel in Leipzig, mal in der Rostocker Schauspielschule, ganz sicher aber im Theater.

Während wir beide dem Flair der Theaterwelt an sich erlagen - mich kostete es fast das Studium - schien sich Reini trotz aller Eskapaden, ernsthaft als Schauspieler zu etablieren. Restlos überzeugt hat mich eine Übungsstunde mit dem Degen in seiner studentischen abrisswürdigen Behausung in Leipzig. Reini wurde eins mit seiner Rolle und nur ein seitlicher Ausfall rettete mich davor, an die Stubentür genagelt zu werden.
Nun war ich sicher, Reini würde ein ganz großer Schauspieler werden. Und fast wäre er es geworden, als Rainer Werner Fassbinder anklopfte.

Während eines Gastspiels des Erfurter Theaters in Berlin, so um die Wendezeit - Reini wohnte in dieser Zeit bei uns in Köpenick - spielte er einen SA-Mann. Er spielte ihn sehr überzeugend und auch der reichlich fließende Cognac brachte ihn nur langsam in die Wirklichkeit zurück. Doch noch ahnte ich nicht, dass ihn seine Sozialisierung einzuholen drohte.

In den 90ern begegneten wir uns am Rande der Umweltkongresse, die meine Gesellschaft in Erfurt durchführte. Dann wurden unsere Kontakte rarer, wenn sie auch nie wirklich abrissen. Das letzte Mal begegneten wir uns im November 2012 in Erfurt, zum Treffen in Berlin in 2015 kam es urlaubsbedingt leider nicht mehr.

Mit Reinhard geht ein Teil meiner Jugend dahin, die ohne ihn nicht so bunt, so wild, so schön gewesen wäre. Gern würde ich meine Trauer und mein Mitgefühl Anja und ihrer Familie bekunden. Vielleicht können Sie mir Anschrift oder eine Email-Adresse weiterreichen. Ihre Initiative eines "Walk of Fame" find ich toll, es wäre eine wirklich schöne Geste, die ich sehr gern unterstütze. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob die Stadt Erfurt diese Ehrung überhaupt verdient hat.

Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
Herzlichst


Peter Wenzl






zurück zu Erinnerungen